Mein Lebens-ABC – A wie ADHS

Lang ist der Beitrag her, wo ich dir vom Lebens-ABC berichtet hatte, leider hab ich es dann doch net sofort geschafft, den ersten Artikel zu schreiben und woran das liegt? Tja, hallo ADHS. Aber mal von Anfang.

Was ist eigentlich ADHS?

Das Bundesgesundheitsministerium schreibt dazu:

Eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) beginnt im Kindes- und Jugendalter und kann auch im Erwachsenenalter weiter bestehen. Hinter ADHS verbirgt sich eine der häufigsten psychischen Auffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen. […]

Charakteristisch für ADHS sind folgende drei Hauptsymptome:

  • Hyperaktivität (übersteigerter Bewegungsdrang)
  • Unaufmerksamkeit (gestörte Konzentrationsfähigkeit)
  • Impulsivität (unüberlegtes Handeln)

Die einzelnen Symptome können jedoch unterschiedlich stark ausgeprägt sein und müssen nicht immer alle gleichzeitig auftreten. Der Oberbegriff ADHS umschreibt auch die Ausprägung der Erkrankung, bei der keine hyperaktiven Verhaltensweisen beobachtet werden, sondern nur Aufmerksamkeitsstörungen vorliegen (ehemals ADS). Zuweilen stößt man in Deutschland auch auf die englischsprachige Abkürzung ADHD für Attention Deficit Hyperactivity Disorder.

So weit, so gut. Wie man dem Zitat entnehmen kann, hat ADHS also nichts damit zu tun, dass jemand ein Verhalten an den Tag legt, um Aufmerksamkeit zu bekommen. DAS nehmen nämlich viele noch heute an (und ja, das habe ich damals auch gedacht). Genauso heißt das nicht, dass Menschen mit ADHS sich gar nicht auf eine Sache konzentrieren können, den oh Boy, glaub mir, das können wir sehr wohl.

Welcher ADHS Typ bin ich?

Ich bin der Mischtyp. Meine ADHS zeigt sich nach außen hin mit Impulsivität und Unaufmerksamkeit. Innerlich habe ich eine Hyperaktivität, mein Kopf bzw. meine Gedankenwelt steht niemals still. Aktuell macht mir meine Impulsivität und Unaufmerksamkeit zu schaffen. Wusstest du, dass bei vielen Frauen erst der Verdacht ADHS zu haben mit Mitte 30 kommt? Und das meist, wenn man selbst Kinder bekommen hat? So war es eben bei mir auch. Klar gab es hier und da Anzeichen schon in der Kindheit, wenn man darüber Bescheid weiß springen einen diese ganzen Hinweise, mit dem nackten Arsch ins Gesicht.

Jetzt kann man denken „Hey, du bist fast 40, warum interessiert es dich jetzt, ob du ADHS hast oder nicht?“ Ganz einfach, es kommt darauf an, ob man aktuell unter den Symptomen leidet oder nicht. Für mich gesprochen leide ich unter den Symptomen, aber nicht nur ich selbst, auch meine Umgebung. Ob es das ständige verlegen von Dingen ist oder das Aufschieben. Oder das Explodieren. Es ist einfach nicht schön. Also habe ich für mich beschlossen, ich möchte die Diagnose.

Mein Weg zur Diagnose habe ich hier ja schon kurz angerissen.

Was bedeutet das nun für mich?

Erstmal fühle ich mich nicht mehr „Falsch“. Ich bin einfach anders, ich denke anders, ich handle anders, ich fühle anders als neurotypische Menschen. Daher bin ich aber nicht falsch, nur eben nicht typisch, sondern neurodivers. Man empfindet eine neue Zugehörigkeit. Man erkennt, dass es Menschen gibt, die genauso sind, wie man selbst und man versteht, warum man mit neurotypischen Menschen immer wieder aneckt. Vieles wo ich immer dachte „Das ist normal, das machen doch alle so“ entpuppt sich als Eigenart von ADHS. Nicht jeder hat immer einen Plan B und C im Kopf. Nicht jeder führt ständig Gespräche mit sich im Kopf oder geht Unterhaltungen durch, was man hätte besser antworten können oder plant Gespräche im Kopf voraus, um vorbereitet zu sein. Wiederholt Dinge, um sie nicht zu vergessen „Tanksäule 6, Tanksäule 6“ Oder lässt sich so extrem schnell von neuen Dingen begeistern. Und da wären wir bei meiner liebsten Eigenschaft:

Der Hyperfocus

Jap, einerseits kann man sich als neurodiverse Person schlecht konzentrieren, aber das liegt nicht daran, dass man etwas nicht kann, sondern schlichtweg daran, dass einen die Aufgabe zu Tode langweilt und sie eben nicht „Kickt“ Bringt halt kein Dopamin und Dopamin ist bei uns eh schon Mangel hoch 10, also sucht man sich etwas, dass das Dopamin kickt.

Neue Hobbys, neue Leute, Musik, Feiern, Gleefreshing1, Shopping oder andere Aktivitäten helfen einem, den Dopaminspiegel hochzujagen. Warum dieser leer ist? Das liegt einfach daran, dass alltägliche, langweilige Dinge einfach sooooo viel Dopamin fressen. Für dich geht es leicht von der Hand mal eben morgens aufzustehen, Duschen, Zähneputzen und sich anzuziehen. Ich hingegen komme null aus dem Bett, kaum wach rattert der Kopf die To-dos runter, was alles noch erledigt werden MUSS, der Kopf ist schon auf Hochtour was das Arbeiten betrifft, so das der Körper gar nicht hinterherkommt und erstmal in starre nur daliegt oder sitzt und braucht bis die Information kommt „Hey Aufstehen!“ Und so geht das bei allen Sachen weiter. Zähneputzen? Ach, ich muss noch einen Termin für x zum Zahnarzt machen und überhaupt ich darf nicht vergessen, dass ich beim nächsten Termin die Beißschiene mitnehme…. usw. Ein endloser Monolog. Das schlimme? Der Kopf kann nicht filtern, was ist nun wichtig, was kann warten, was ist schon in Verzug. Und obwohl man gerade erst aufgestanden ist, ist das Energielevel schon nach ein paar Minuten gefühlt leer. Der Alltag ist anstrengend, vor allem wenn man dann noch die Dinge für die Kinder und den Ehemann im Kopf abspielt.

Ich höre oft, du siehst gar nicht so hyperaktiv aus. Nein, stimmt. Nach außen hin wirke ich ruhig, vielleicht auch verschlossen, verpeilt, aber auch arrogant und als würden mich andere nicht interessieren, weil ich vielleicht nicht direkt zuhöre (bzw. höre ich zu, überlege aber so lange an antworten oder konzentriere mich darauf, nicht hineinzusprechen, sodass ich vergesse was gesagt wurde oder… na, ich glaube, du merkst mein Struggle). Es ist einfach anstrengend und macht mich vor allem auf Traurig. Daher liebe ich den Hyperfocus, da kann ich so aktiv arbeiten, da ist mein Kopf ruhig, da macht mir alles Spaß. ABER es darf keiner stören, xD sonst bin ich raus. Im Übrigen kann der Hyperfocus einen auch ziemlich ins Geld gehen xD. Warum? Na ja, wenn ich meine, das Hobby könnte jetzt für mich DAS geilste sein, dann reicht es nciht, nur reinzuschnuppern, es reicht nicht, mit den einfachsten anzufangen, nenen… Da wird dann die/das gute Nähmaschine/Kamera/Tablet/Stifte gekauft. Es reichen dann auch nicht ein paar zusätzliche Materialien. Ich glaub’ jeder der mich kennt, weiß wie viel Stoffe und Nähkram ich habe, wie viele Stifte, BulletJournals ich besitze und wie mein Anspruch bei bestimmten Dingen ist. (Haha, gutes Beispiel ist das Layout von meinem Blog). Bin ich aber mal drin, kann ich mich auch darin verlieren. Da vergesse ich alles, essen, trinken, Toilette, einfach alle Bedürfnisse. Da sitzt man dann auch gern mal bis 4 Uhr morgens am Laptop, arbeitet total im Focus am Layout und merkt einfach gar nicht wie die Zeit vergeht oder wie voll die Blase ist.

Was will ich mit der Diagnose

So, ich komm’ dann mal zum Ende. Ich wollte die Diagnose, damit ich mit Hilfe holen kann. Mit der ADHS-Diagnose steht einem nämlich mehrere Sachen zur Verfügung, was man ohne nicht nutzen kann. Ergotherapie, Verhaltenstherapie und Medikamente. Dinge, die ich im kommenden Jahr (geht alles leider viel zu langsam, aber na ja) in Angriff nehmen werde. Für mich, für meine Kinder und für meine Familie. Ich denke, wir alle werden davon profitieren, wenn ich nimmer so zerstreut und chaotisch bin xD und endlich das aus mir herausholen kann, was ich wirklich gut kann.

In dem Sinne, das ist mein Schreibbeitrag zum Lebens-ABC.

  1. „Gleefreshing“ besteht aus dem englischen Begriff „Glee“, was so viel bedeutet wie „Entzücken“, und „refreshing“, das Aktualisieren. Hierbei geht es darum, gezielt und betont auch heitere und wertvolle Nachrichten und News zu konsumieren ↩︎

P.S.: Viele denken jetzt auch „Ja jeder hat dann ja ein bisschen ADHS“ Da muss ich widersprechen. JA, alle Symptome, die man mit ADHS hat, haben auch Menschen ohne ADHS, aber hier kommt es auf die Häufung an und dass dies schon seit der Kindheit auftritt. Jeder ist mal schusselig, aber nicht täglich mehrere Male. Jeder ist mal unkonzentriert, aber eben nicht ständig. Jeder hat mal nen Tag wo er nicht aufstehen mag, aber nicht immer. Auch gibt es Überschneidungen mit dem Autismus-Spectrum und Depressionen. Ebenso ist nicht jeder ADHSler gleich, auch hier spricht man von einem Spectrum.

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2 Comments

  1. Ich kann verstehen, dass du die Diagnose wolltest, vor allem, wenn es dir jetzt hilft besser mit bestimmten Dingen umzugehen…

    Ich musste gerade schmunzeln, als du das mit Nähmaschine und Co erzähltest und dabei an meinen Schrank voller Stoffe denken, die ich seit gut 4 Jahren null mehr angerührt habe. Aber gehortet ohne Ende. Genauso wie Wolle und Häkel- und Stricknadeln, Bastelsachen, Lego und mehr. Ich will auch immer dann bei allem gut ausgerüstet sein, obwohl mir jegliche Zeit fehlt. Seit Jahren denke ich darüber nach meinen Copic Lichttisch endlich mal zu verkaufen. Aber ich bin gut im Anschaffen, aber nicht wieder verkaufen…

    • Ja, wenn der Hyperfocus beim neuen Hobby kickt, endet das meist genau so und irgendwann langweilt einen das Hobby und es liegt im Schrank, aber man könnte es ja doch noch mal irgendwann gebrauchen. Mega nervig. Mein SUB (Stapel ungelesener Bücher) ist eher ein RUB (RegalE ungelesene Bücher) und von ebooks will ich gar net reden, wenn ich nie wieder Bücher kaufen würde, hätte ich rund 3000 Bücher, die noch ungelesen sind. Tjor xD

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