Das sagte ich damals, als man mir versuchte zu erklären, mein Sohn habe ADHS. Warum ich so reagierte? Ich hatte Vorurteile, was ADHS ist. Aber auch die Menschen, die mir dies sagten, hatten oder haben Vorurteile. ADHS, was ist das? Das sind doch Menschen, die nur immer Aufmerksamkeit wollen und brauchen. Die Hyperaktiv sind, niemals still, niemals konzentriert.
Das war mein Sohn nicht. Er konnte durchaus still sitzen, er konnte sich stunden mit einem Puzzle beschäftigen, ruhig und konzentriert malen. Er war oft einfach in sich gekehrt, wenn er mit seinen Dinos spielte. Stunde über stunde. Ließ sich nicht mal von einem Arzt abhalten, sein Puzzle fertig zu machen, obwohl dieser ihn sogar anmeckerte, er solle jetzt sofort aufhören, die Untersuchung beginnt. Wie also soll so ein Kind ADHS haben?
Ich könnte mich heute Ohrfeigen, es gab schon vor 10 Jahren die Möglichkeit, sich besser zu informieren. Der Arzt, der das in den Raum geworfen hat, meinte dies auch nur, weil mein Kind ja total verzogen und ungehorsam sei, das sein Zeichen für ADHS (Spoiler, nein sind sie nicht). Also glaubte ich diesen Mann von Arzt nicht, warum auch, er empfahl meinen Sohn im Zimmer einzuschließen, mit Eimer zum Pinkeln um ihn zu zeigen, wer der Herr im Haus ist. Ein Arzt, der Bücher wie „Jedes Kind kann schlafen lernen“ und „Jedes Kind kann Regeln lernen“ mir andrehen wollte.
Die Kindergartenzeit
Im Kindergarten fiel Sam nur durch seine starken Emotionen auf. Wut, Freundlichkeit, Empathie. Seine Gefühle waren immer groß und viel. Wurde jemand und er unfair behandelt, wurde er zum Löwen. War jemand traurig, tröstete er und brachte zum Lachen. Er wollte und war eigentlich mit jedem Kind gut befreundet. Man hörte eigentlich nie, dass er unbeliebt oder so sei. Er war einfach nur wild und ungestüm. Da war die Umarmung dann auch mal fester und leider auch mal gegen den Willen. Ansonsten eben das gleiche, wie ich oben schon schrieb. Konzentriert beim Spielen, wissbegierig, ein super Gedächtnis, er konnte Geschichten oder auch Sachtafeln im Aquazoo nach nur einmal vorlesen fehlerfrei wiedergeben. Warum sollte man sich da Gedanken machen?
Grundschule
Die erste Lehrerin war eine Katastrophe für ihn. Er kam nie an. Wir wollten eh, dass er erst ein Jahr später in die Schule kommt, da er bei der Einschulung noch 5 war, aber der Antrag wurde abgelehnt „Zu schlau und wissbegierig“ Motorisch war es eine Katastrophe. Wir fingen mit Ergotherapie und LRS-Training an. ADHS? Stand da noch nicht im Raum. Erst als wir ihn zurückstuften und es zunehmend emotionale Ausbrüche gab. Ich suchte also nach einem Termin in SPZ, bekam aber nichts, kurz vor Corona hatte ich dann eine Psychotherapeutin gefunden und die machte einen IQ-Test sowie ADHS Test und siehe da, sehr intelligent und ADHS. Okay dachte ich, warum kann er sich dann stellenweise so extrem konzentrieren, dass er alles um sich herum vergisst? Und er war doch als Kind wie ich? Wie kann das ADHS sein? HAHAHA, was war ich unwissend. Gott war ich überzeugt, dass es das nicht ist…
AZ-KJP
Wir bekamen einen Platz in einem ambulanten Zentrum für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie. Bei einem Gespräch meinte die Psychiaterin zu mir „Aber das kennen sie ja von sich, sie haben ja auch ADHS stimmts?“ Hä? Ich? Wie nein, ich war nicht wild, ich war nicht hibbelig. Oder doch? Durch Corona kam die Behandlung in Stocken, 2021 ging es dann unter strengen Bedingungen weiter. Und ich las mich immer mehr ein, wollte halt auch wissen, was für Sam eine Lösung sein könnte, um ihn den Alltag in der Schule zu erleichtern. Den sein ADHS stand immer öfter im Weg.
Therapie und Medikinet
Wir entschieden uns dann für Medikamente und 1-mal im Monat fährt er zu seiner Therapeutin. Was genau sie machen? Das ist deren Geheimnis, xD ich weiß es ehrlich nicht. Aber das ist okay. Mit den Medikamenten kommt er nun besser zurecht. Und das ist super. Aber genau da begann dann auch meine Reise.
Hab ich ADHS?
Das fragte ich mich immer wieder. Wie kann das zusammenhängen? Warum ist es meinen Eltern nicht aufgefallen? Hab ich es überhaupt? Ich rutschte immer mehr in die Bubble, und in den letzten 2 oder 3 Jahren kamen immer mehr Instagram Accounts, die darüber informierten und ich dachte immer öfter „FUCK JA!“ Das bin voll und ganz ich.
Die Suche nach einer Diagnose
Behandlungsplätze hätte ich mehrere haben können, aber ohne Diagnose keine Behandlung, aber Diagnostik? „Nein, die machen wir nicht“ Ich suchte und suchte, schrieb E-Mails, telefonierte und bekam immer nur absagen. Wartelisten von 3 Jahren oder länger. Ich fing sogar schon an, außerhalb NRWs zu schauen. Bis ich vor ein paar Monaten endlich jemand 30 Min mit dem Auto von mir entfernt fand. Diesen Monat hatte ich dann endlich den ersten Termin.
Die ADHS Diagnostik startete
Ich füllte Fragebogen aus, mein Dad ebenso. Ich hatte Sitzungen und wurde ausgefragt, sollte von meiner Kindheit erzählen, meiner Schulzeit. Und ich merkte selber, wie oft ich eine Maske ausgesetzt habe. Wie anstrengend alles immer war, wie unruhig es in mir drin ist. Ich lernte, dass Menschen nicht ständig alles durchdenken, dass sie auch mal Ruhe im Kopf haben. Das kenne ich nicht.
Die Diagnose steht
Gestern hatte ich dann wieder einen Termin zur Auswertung und was soll ich sagen? Es ist ADHS. BÄM. Alles ergibt einfach einen Sinn. Ich war nie falsch, ich war immer nur anders, nicht immer kompatibel. Die Tränen flossen. Hätte ich das schon früher gewusst, hätte ich dann den ein oder anderen Menschen im Leben nicht verloren? Hätte ich Schule, Studium oder Ausbildung besser geschafft? Ich weiß es nicht. Aber ich weiß jetzt, dass ich eben anders denke, anders fühle, anders arbeiten muss. Ich wusste es eigentlich, seit die Psychiaterin von Sam das sagte und versuchte schon, dagegen zu steuern. Aber es ist so extrem anstrengend.
Wie geht es weiter?
Tja, ich warte nun auf die Unterlagen und dann geht es zu einer Psychiater*in, ich möchte für mich Medikamente ausprobieren. Ich bin gespannt wie das wird Ich bin somit jetzt ein 39-Jährige spät-diagnostizierte ADHSlerin. Ich bin wohl der unaufmerksame Typ. Suprise xD Ich glaube, dass können einige in meinem Umfeld bestätigen. Mal sehen, wo die Reise jetzt noch hingeht. Ich möchte aber auch noch einen IQ-Test und einen Spektrum-Test machen lassen, um nichts mehr zu übersehen.
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Also dem ersten Kinderarzt hätte ich ja was erzählt mit seinem Pipi-Eimer im Kinderzimmer…
Ich hin aufgestanden und meinte nur, das er und das letzt mal gesehen hat und dass ich ihn bei der Ärztekammer wegen seiner Tipps der schwarzen Pädagogik melden werde.
Bin danach auch nicht mehr zu dem hin. Leider war der andere ein enrig larofari das er nicht weiter drauf einging. Ich hatte ihn gern die Grundschule leichter gemacht
Krass, dass ein Arzt solche „Ratschläge“ gibt… woa. Sowas würde ich der Krankenkasse melden, das geht gar nicht.
Glückwunsch zur Diagnose! Ich kann das soooo gut nachvollziehen, wie es dir geht. Einerseits gut, dass es mittlerweile viel mehr Aufklärung zu diesen Themen gibt, andererseits denke ich mir auch so oft: mein Leben wäre wahrscheinlich anders verlaufen, wenn da früher mal jemand drauf gekommen wäre und nicht erst ich selber mit Mitte dreißig, nachdem ich jahrelang immer das Gefühl hatte, dass mit mir etwas nicht stimmt – aber jahrelange Therapien auch irgendwie immer dran vorbei gingen und die dort gestellten Diagnosen auch nie wirklich passten. Das ging soweit, dass ich Schuldgefühle hatte, eine schlechte Patientin zu sein, weil ich nicht so war, wie es die Diagnosen „vorschrieben“.
Eine „offizielle“ Diagnose habe ich nach wie vor nicht. Anfang des Jahres habe ich nach langem Warten immerhin endlich Termine bei einer Psychologin bekommen, die mit mir drölfzighundert Fragebögen durchgegangen ist, die obligatorischen Grundschulzeugnisse und halt generell viel gefragt hat. Am Ende hat sie mir schriftlich bescheinigt, dass sie bei mir ADHS und das Autismusspektrum stark vermutet, sich aber nicht in der Lage sieht, mehr als eine Verdachtsdiagnose auszustellen, das solle bitte ein Fachzentrum machen. Haha… drei Jahre Wartelistenzeit Minimum, weil eine Diagnostik im Erwachsenenalter kaum jemand durchführt aufgrund von Überlastung.
Ich verstehe nicht, warum um die Diagnostik von ADHS und Autismus so ein Bohei gemacht wird, andere Diagnosen aber easy-peasy von jedem stinknormalen Psychologen gestellt werden – bei mir stand schon Borderline-Persönlichkeitsstörung, Depressionen und was nicht alles auf dem Papier, was a) wohl nicht weniger anspruchsvoll in der Diagnostik ist und b) halt einfach nicht zutraf. Das ist unheimlich frustrierend…
Liebe Grüße
Anne
Es gibt ja Unterschiede zwischen den ganzen Ärzten.
Psychologe hat nur Psychologie studiert, ist eigentlich mehr in der Wirtschaft oder macht weiterbildungen.
Psychotherapeut hat entweder Medizin oder Psychologie im Master studiert und anschließend eine 5-jährige Ausbildung zum Therapeuten, die dürfen die Diagnose stellen
und dann der Psychiater, der viel medizinisch studiert hat und daher auch Medikamente verschreiben darf. Die Diagnose darf halt nur ärztliche oder psychologische Psychotherapeuten sowie Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, für psychosomatische Medizin oder für Neurologie stellen. Ich bin bei einem Psychotherapeuten, jetzt muss ich zu nen Psychiater um das mit den Medikamenten zu bekommen.
Und dann gibts es noch Heilpraktiker mit therapeutischer Weiterbildung, die dürfen nur verdachtsdiagnosen stellen.
Wusste das vorher auch nicht xD, wie weit ist Düsseldorf von dir?
Die ist tatsächlich psychologische Psychotherapeutin, mein Fehler.
Rein rechtlich dürfte sie es tatsächlich diagnostizieren. Aber sie hatte damit wohl noch nicht so viel zu tun und möchte es deswegen nicht.
Düsseldorf… geht so. Eigentlich machbar, wenn ich nicht so unsicher wäre, was das Fahren längerer Strecken bzw. unbekannter Orte angeht. 🙈
Ah ok, ja gut, das mit dem Fahren ist grad in der Ecke scheiße, da bekomm’ ich jedes Mal die Krise, weil mitten in der Stadt, viel zu viel verkehr usw. Ultra nervig. Mein Mann fährt schon nimmer mit xD